Das Mitte 2020 vorgestellte 9mm Objektiv für spiegellose Vollformatkameras ist aktuell (Juli 2023) das 35mm Objektiv mit dem weitesten Bildwinkel überhaupt, üppige 135 Grad werden auf den Sensor gebannt. Es ist für Leica M und L, Sony E und Nikon Z erhältlich. Ursprünglich kostete es um die 1.000 €, die Versionen für Sony E und Nikon Z sind Ende 2022 auf 800 € reduziert worden.

Gehäuse und Handling

Beim ersten Blick auf das Laowa 9mm 5,6 dürfte manchem Betrachter spontan ein „oh, ist das klein!“ durch den Kopf gehen. Mit lediglich 6,2cm Durchmesser und 6,6 cm Gesamtlänge glaubt man auf den ersten Blick nicht, ein extremes Weitwinkel vor sich zu haben. Die lediglich 350g lassen es aufgrund der geringen äußeren Abmessungen wiederum nicht wie ein Leichtgewicht erscheinen, obwohl dieses zusätzliche Gewicht in der Fototasche kaum auffallen dürfte.

Mulde für den Fokusfinger

Das aus Metall gefertigte Gehäuse fühlt sich wertig und solide an, Blenden- und Fokusring laufen satt und geschmeidig, der Blendenring am vorderen Ende des Objektivs besitzt Rastpositionen für die vollen Blendenwerte. Die Gegenlichtblende ist fest verbaut, die halbkugelförmige Frontlinse wird beim Transport durch einen gut sitzenden Stülpdeckel geschützt. Als nettes Gimmick ist am Fokusring eine Fingermulde aufgesetzt.  

Optische Leistung

Ein Objektiv mit solch einem extremen Bildwinkel geht immer optische Kompromisse ein, insbesondere auch dann, wenn es in sehr kompakten Abmessungen und zu einem moderaten Preis daherkommt.

Der moderne Objektivbau ist heutzutage in der Lage, Zoomobjektive bis zu einer Brennweite von 12mm mit zufriedenstellenden optischen Eigenschaften zu vertretbarem Preis zu konstruieren, alles drunter wird kompliziert. Und somit kann es auch nicht verwundern, wenn ein 9mm Objektiv, welches kleiner und billiger ist, als ein Zoomobjektiv mit 12mm Anfangsbrennweite, diverse optische Schwächen mitbringt.

Insgesamt ist das Laowa 9mm kein extrem scharf abbildendes Objektiv. Selbst in der Bildmitte fehlt es etwas an Auflösungsvermögen. Diese fällt zum Rand und in die Ecken hinein dramatisch ab. Scharfe Bildecken sind auch durch Abblenden nicht erreichbar, wozu auch die zum Fotografen hin ausgeprägte Bildfeldwölbung beiträgt. Generell kann man die Schärfe durch Schließen der Blende nur minimal steigern. Blende 8 ist als universelle Einstellung empfohlen.

Gleiches gilt auch für die überdurchschnittlich ausgeprägte Vignettierung. Fotos erschienen wie durch ein dunkles Rohr hindurch aufgenommen, so stark fällt die Helligkeit zu den Rändern hin ab. Die Randabdunkelung lässt sich in der Nachbearbeitung nur schwer beheben. Die Ränder müssen zu stark aufgehellt werden, hinzu kommt eine bläuliche Farbverschiebung der Ecken (siehe Beispielbild unten). Leider hilft auch hier eine weiter geschlossene Blende wenig. An dieser Stelle rächt sich die kompakte Bauweise. Für eine korrekte Belichtungsmessung muss bei Matrixmessung mindestens -0,7 EV oder alternativ mittenbetonte Messung eingestellt werden.   

Da die Verzeichnung mit der Fokusdistanz variiert und sich zu unendlich hin redutziert, sollte man möglichst gegen unendlich fokussieren. Darüber empfiehlt es sich, Bilder möglichst in Waage aufzunehmen, da sich andernfalls die Verzeichnung unschön bemerkbar macht. Dies ist dem Arbeiten mit einem Fischauge nicht unähnlich.

Dennoch entstehen Bilder, die durch ihre Einzigartigkeit überzeugen können. Speziell in Innenräumen kann die Vignettierung bestenfalls zur Bildstimmung beitragen oder mindestens nicht übermäßig störend auffallen. Für Landschaftsfotografie erscheint mir persönlich der Randabfall bezüglich Bildhelligkeit und Schärfe zu stark.

Fazit

Vielleicht hat sich Laowa zu sehr durch die kompakte Bauweise unnötig in der optischen Leistung eingeschränkt. Insbesondere die deutliche Vignettierung könnte durch eine aufwändigere Optik reduziert werden. Auf der anderen Seite wäre ein größeres, schwereres Objektiv deutlich teurer in der Herstellung.

Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, mit dieser extremen Brennweite zu experimentieren. Das Laowa 9mm 5,6 wird ein Bestandteil meiner Ausrüstung bleiben. Steht eine hohe Bildqualität jedoch im Vordergrund, wird es vermutlich nicht in der Fototasche landen.

Beispielfotos

Maximale Aufhellung der Vignettierung in NX Studio