Im Jahr 1993 erschien der „kleinere Bruder“ des 135mm 2,0 DC Objektivs mit der klassischen Portraitbrennweite von 105mm.

Lediglich rund 35.000 Exemplare dürften in der langen Verkaufsphase bis 2020 an den Fotografen gebracht worden sein. In den 2010er Jahren betrug der Neupreis zwischen 900 und 1.000 Euro, in 2023 kostet es gebraucht zwischen 600 und 900 Euro – die Preise schwanken recht stark.

Gehäuse und Handling

Das DC 105mm 2,0 D ist ein typisches Nikon Objektiv der 1990er Jahre: AF Antrieb mittels Kameramotor über den Schraubendreherantrieb, A/M Umschaltring, solides Gehäuse mit traumhafter Verarbeitung und Haptik inklusive Hammerschlaglack plus eingebaute, herausschiebbare Gegenlichtblende. 640g und 72mm Filterdurchmesser sind im Vergleich zum AF-S 105mm 1,4 E ED recht moderate Werte, der Nachfolger bringt fast ein Kilogramm auf die Waage.  Wenn man ein DC Nikkor in die Hand nimmt hat man sofort den Gedanken „so etwas wird heutzutage auch nicht mehr gebaut“ im Kopf, wobei der erste Eindruck der Solidität etwas täuscht. Wie bei vielen Nikkoren mit ähnlicher Konstruktion stellt der A/M Ring aus Plastik einen Schwachpunkt dar und neigt zu Bruchstellen.

Die Blende wird klassisch über einen Hebel gesteuert und das Objektiv verfügt über einen Blendenring. Somit ist es auch zu älteren Analogkameras ab AI Kupplung voll kompatibel.

Nikon verfolgte mit den beiden DC Nikkoren die Idee von optisch anpassbaren Portraitobjektiven. Die Abkürzung „DC“ steht hierbei für Defocus Control. Mittels eines verstellbaren Ringes lässt sich die Unschärfe (bzw. das Bokeh) im Vorder- oder Hintergrund anpassen. Dieser Ring kann in zwei Richtungen verstellt werden, abhängig davon, ob der Vordergrund (F) oder der Hintergrund (R) weicher gestaltet werden soll. Zu beiden Seiten der mittigen Neutralstellung besitzt der Ring eine Blendenskala mit vollen Blendenstufen als Rastpunkte.

Sehr stark vereinfacht lässt sich sagen, dass das Bokeh im Hintergrund weicher ausfällt, wenn der DC Ring auf der Skala Richtung R auf die Blende eingestellt wird, die der aktuellen Arbeitsblende entspricht. Stellt man die Blende kleiner ein, als für die Aufnahme Kameraseitig eingestellt, fällt der Effekt entsprechend kleiner aus. Wird der Blendenwert der Aufnahme überschritten (z.B: Blende für die Aufnahme 2,8 und DC Blendeneinstellung 5,6), nimmt auch die Schärfe im Fokusbereich rapide ab und man erhält weichgezeichnete Bilder. Beeinflusst man die Vorder- oder Hintergrundunschärfe, fällte die entgegengesetzte Richtung deutlich unruhiger aus, als ohne Nutzung der DC Funktion.

Der Effekt ist recht subtil, besonders bei Offenblende oder knapp darunter. Meiner Meinung nach wurde und wird die DC Funktion nicht viel genutzt und die meisten Fotografen belassen den DC Ring in Neutralstellung. Die nachfolgende Beurteilung bezieht sich auch nur auf die Nutzung des Objektivs ohne DC Funktion.  

Ein wesentlicher Kritikpunkt an den DC Objektiven ist der Stangenautofokus. Für hoch auflösende Sensoren ist dieser bei beiden Objektiven zu grob übersetzt und lässt oftmals die notwendige Präzision vermissen. Weitere Einflussfaktoren des optischen Designs reduzieren die Genauigkeit des Autofokus in manchen Situationen zusätzlich (z.B. Aberrationen).   

Optische Leistung

Auch an einer 45 MP Kamera wie der D850 kann das DC 105mm 2,0 D überzeugen. Das Auflösungsvermögen in der Bildmitte reicht selbst bei Offenblende aus, um einen hochauflösenden Sensor in der Bildmitte zu bedienen. Selbst zum Rand und den Ecken hin fällt die Schärfe nur moderat ab. Um eine Stufe auf f/2,8 abgeblendet ist die Bildschärfe über das gesamte Bildfeld hinweg sehr gut. Meiner Meinung nach bildet das DC 105mm bei Blende 2 genauso scharf ab, wie das AF-S 105mm 1,4 E bei Blende 1,4. Bei gleicher Blende ist das moderne AF-S Objektiv allerdings dem DC hinsichtlich Schärfe und Kontrast deutlich voraus. Dennoch kann es hinsichtlich der Bildqualität überzeugen und sogar begeistern. Dies alles gilt jedoch nur, wenn der Fokus korrekt sitzt – und das muss man sich mitunter hart erarbeiten.

Dem Alter des optischen Designs geschuldet treten Farblängsfehler deutlich zutage. Diese Chromatischen Aberrationen beeinflussen die Bildqualität von Blende 2,0 bis 4,0, auch wenn die Farbsäume weniger ausgeprägt sind als beim DC 135mm 2,0. Glücklicherweise lassen sich diese Aberrationen sehr gut via Software herausrechnen – was bei diesem Objektiv fast schon zum standardmäßigen Workflow der Nachbearbeitung gehört. Helle Objekte neigen zu Überstrahlungen.

Vignettierung ist bei Offenblende durchaus sichtbar, die Abdunkelung zu den Bildrändern hin ist aber bereits bei Blende 2,8 kein großes Thema mehr und bei Blende 4 verschwunden. Wie für ein dediziertes Portraitobjektiv zu erwarten ist das Bokeh tadellos weich und harmonisch. Es braucht den Vergleich mit dem 105mm 1,4 E nicht zu scheuen.

Fazit

Das DC 105mm 2,0 D Nikkor hat sich seinen legendären Ruf zu Recht verdient. Sehr gute Schärfe selbst bei Offenblende gepaart mit einem traumhaften Bokeh sind auch heute noch die Zutaten für ein hervorragendes Objektiv. Meiner Meinung nach kommt es im Portraitbereich dem 105mm 1,4 E hinsichtlich der Bildqualität sehr nahe, mit Ausnahme der etwas ausgeprägteren Farbsäume. Bei Landschaftsfotografie kann sich das neuere Objektiv aufgrund des höheren Auflösungsvermögens bei kleineren Blendenöffnungen deutlich absetzen.

Der größte Schwachpunkt ist jedoch der mechanisch übersetzte Stangenautofokus. Nicht nur, dass damit der Autofokus an den spiegellosen Z Modellen verloren geht, er ist auch an DLSRs oftmals unpräzise. Selbst die exzellenten AF Module von D850 und D500 schaffen es mitunter nicht, den Fokuspunkt bei Offenblende exakt zu treffen.

Dennoch ist das AF DC 105mm 2,0 ein faszinierendes Objektiv, sowohl haptisch als auch von der optischen Leistung her. Bezüglich Handling und Kompatibilität gibt es modernere Alternativen.  

 

Beispielfotos