Eine Festbrennweite mit 50 bzw. 55mm und Offenblende 1,2 gehört seit 1965 zum Katalog von Nikon. Zur Blütezeit der analogen Fotografie in den 70er und 80er Jahren konnten Fotografen aufgrund der – aus heutiger Sicht – niedrigen Filmempfindlichkeit jedes bisschen Lichtstärke gebrauchen. Festbrennweiten rund um die so genannte „Normalbrennweite“ von 50mm boten sich besonders für große Blendenöffnungen an, da diese konstruktiv weniger Aufwändig als im Weitwinkel- oder Telebereich zu realisieren sind. Nikon konnte nach Einführung des Autofokus ab 1986 aufgrund des relativ engen F Bajonettdurchmessers keine Version mit Autofokus anbieten, daher wurde die letzte, manuelle Version AI-S 50mm 1,2 bis Mitte 2020 verkauft.
Es handelte sich bei den manuellen 50/55mm f/1,2 Objektiven keinesfalls um abgehobene Luxusprodukte oder um Objektive mit kompromissloser Bildqualität. Der Aufpreis betrug ca. ein Drittel gegenüber der Version mit Blende f/1,4. Auch physikalisch hielten sich die Aufschläge bei Größe und Gewicht in Grenzen.
Dies ändert sich im Z System grundlegend – in jeder erdenklichen Weise. Das Ende 2020 vorgestellte Z 50mm 1,2 S bringt rund 1kg auf die Waage und erleichtert den Kontostand um satte 2.230 Euro. Plus 150 % Gewicht und 280 % Aufschlag beim Preis gegenüber dem Z 50mm 1,8 S machen klar: hier geht es nicht um eine simple Alternative mit mehr Lichteinfall. Dieses Objektiv soll die Möglichkeiten des großen Z Bajonetts ausschöpfen und als Flaggschiff im Bereich der Normalbrennweiten Zeichen setzen.
Gehäuse und Handling
Das sehr gut verarbeitete und solide Objektiv misst stolze 89,5cm im Durchmesser bei einer Länge von 15cm. Der Filterdurchmesser beträgt 82mm. Innerhalb der S Serie gehört es mit Einstellring und Display für Anzeige von Fokusdistanz oder Blende zu den gehobener ausgestatteten Objektiven. Eine programmierbare Funktionstaste rundet die Ausstattung zusammen mit dem obligatorischen AF/Manuell Schalter ab. An der Frontseite befindet sich als Designelement ein geriffelter Gummiring. Dieser hat jedoch außer der Verbesserung der Griffigkeit keine Funktion. Die Gegenlichtblende HB-94 verfügt über einen Entriegelungsknopf.
Die zwei verbauten AF Motoren sind etwas lauter als bei anderen Objektiven der Z Serie, aber nicht auffallend oder störend. Für Videoaufnahmen dürfte der Geräuschpegel hingegen zu hoch sein. Dafür arbeitet der Autofokus recht schnell und deutlich flotter als beim kleineren Pendant mit f/1,8, ohne dabei die Präzision zu vernachlässigen.
Optische Qualität
Die Kompromisslosigkeit bei Größe und Gewicht zahlt sich aus. Bei Offenblende bietet das Z 50mm 1,2 S eine Bildqualität, die viele Objektive selbst nach Abblenden nicht erreichen. Die Schärfe ist bei Blende 1,2 in der Bildmitte exzellent, am Rand sehr gut. Die Bildmitte steigert sich noch moderat bis Blende 1,4, der Bildrand verbessert sich bis Blende 2,2 auf ein ebenfalls exzellentes Niveau.
Optische Fehler muss man sprichwörtlich mit der Lupe suchen. Wenig bis keine Überstrahlungen an hellen Bildstellen, keine wahrnehmbaren Farbsäume/CA und 0% Verzeichnung zeichnen das Objektiv aus. Lediglich eine deutlich sichtbare und gut korrigierbare Vignettierung bei Offenblende ist von den üblichen optischen Objektivfehlern übriggeblieben, diese ist allerdings bei Blende 2,0 kaum noch wahrnehmbar.
Ein Objektiv mit Anfangsblende von 1,2 kauft man aber sehr wahrscheinlich nicht nur wegen Lichtstärke, Bildschärfe oder generell guter Abbildungsleistung. Entscheidend ist auch das Bokeh bzw. die Hintergrundunschärfe. Wie zu erwarten ist, liefert es auch in dieser Kategorie Herausragendes. Auch im Vergleich zum Z 50mm 1,8 S kann es sich bei gleicher Blende deutlich absetzen und liefert bis mindestens f/2,8 die weicheren Hintergründe. Man verzichtet daher beim 1,8er nicht nur auf die Freistellung der größeren Blendenöffnungen, auch abgeblendet kann es beim Bokeh nicht mithalten. Insgesamt wirkt das 50mm 1,2 trotz cremig weicher Hintergründe etwas klinischer (oder sollte man sagen: moderner?) als die älteren, manuellen Objektive mit Blende 1,2. Es gibt den Spruch, dass der Character eines Objektivs am Ende nur die Ansammlung optischer Fehler ist. Das mag hier zutreffen. Alles ist so perfekt, dass manche Fotografen gegebenenfalls etwas Character vermissen.
Vergleich zum Z 50mm 1,8 S
Vergleicht man die reine Bildschärfe der beiden 50mm Z S Objektive, bildet das 1,2er ab Blende 1,4 in der Bildmitte schärfer ab als das 1,8er. Erst ab Blende 2,8 liegen beide Objektive – über den gesamten Bildbereich – in etwa gleich auf.
Das 1,2er ist farblich minimal kühler/neutraler abgestimmt als das 1,8er, wobei der Unterschied wirklich sehr minimal ist. Farben wirken kräftiger, der Kontrast ist feiner herausgearbeitet und Farbtöne werden etwas differenzierter dargestellt. Insgesamt sind das keine Welten, die zwischen den beiden 50mm Objektiven liegen. Im direkten Vergleich fallen sie jedoch auf. Fotos mit dem Z 50mm 1,2 S erscheinen insgesamt minimal lebhafter als mit dem Z 50mm 1,8 S.
Vergleich zum AF-S 58mm 1,4 G
Die Rolle des Bokeh Zauberers bei ca. 50mm kam im F Objektivsortiment dem AF-S 58mm 1,4 G zu. Somit ist dieses Objektiv durchaus von Interesse, sofern man das Z 50mm 1,2 vornehmlich für die Erzeugung cremiger Hintergründe ins Auge fasst.
Allerdings darf man einem Vergleich dieser beiden Objektive die unterschiedliche Brennweite nicht außer Acht lassen, auch wenn es sich „lediglich“ um 8mm handelt. Bei einer Fokusdistanz vom 5m Beträgt die Schärfentiefe bei 50mm und Blende 1,2 71cm, während sie bei 58mm und Blende 1,4 lediglich 63cm beträgt. Das 58mm Objektiv ist somit rein physikalisch im Vorteil.
Das 58mm 1,4 entspricht in der Abbildung und im Bokeh eher den klassischen Portraitobjektiven. Auflösung und Kontrast sind insgesamt geringer, die Übergänge zwischen Schärfe und Unschärfe erscheinen weicher, Farbsäume sind jedoch deutlich ausgeprägter. Hinsichtlich der erzielbaren Bildschärfe ist der Unterschied gewaltig, das 58mm kann nicht ansatzweise mithalten. Erschwerend kommen aufgrund der wenig korrigierten Aberrationen physikalisch bedingte Fokusungenauigkeiten hinzu. Diese sind zwar an spiegellosen Kameras nicht ganz so ausgeprägt wie an Spiegelreflexkameras, aber immer noch vorhanden.
Fazit
Von der optischen Leistung her gibt es wenig bis keine Alternativen zum Z 50mm 1,2 S. Die ärgste Konkurrenz kommt in Form des Z 50mm 1,8 S auch noch aus dem eigenen Hause. Was direkt zur nächsten Frage führt: lohnen sich Aufpreis und Gewicht?
Das Z 50mm 1,2 S bietet bis Blende 2,8 eine noch bessere Bildqualität als das schon sehr gute Z 50mm 1,8 S. Das „kleine“ 50er ist allerdings sehr nah dran, lediglich beim cremigen Bokeh muss es sich (bei gleicher Blende) sichtbar geschlagen geben. Ob das jedoch den mehr als dreifachen Preis rechtfertigt, ist eine schwierig zu beantwortende Frage.
Spielt das Geld keine Rolle und stört das Gewicht nicht, fällt die Wahl relativ einfach auf das Z 50mm 1,2 S. Für den engagierten Hobbyfotografen sollte die Wahl jedoch auf das Z 50mm 1,8 S fallen – der Aufpreis für die letzten 10% Leistung sind einfach zu hoch und das 1,8er dafür wahrlich ein Preis-/Leistungssieger.
Ist die Hintergrundunschärfe bzw. das Bokeh das entscheidende Kriterium, schiebt sich das AF-S 58mm 1,4 G ins Bild. Es kann bezüglich der Schärfe nicht mithalten, liefert dafür aber eine minimal bessre Hintergrundunschärfe mit weicheren Übergängen. Dafür muss man selbst auf spiegellosen Kameras mit Fokusproblemen leben. Das 58mm 1,4 bleibt somit ist ein Spezialist für cremige Hintergründe, wohingegen die beiden Z 50mm Objektive universell einsetzbar sind.