Die letzte semiprofessionelle Kamera für 35mm Film von Nikon wurde ab 1999 angeboten und im Jahr 2006 zusammen mit fast dem gesamten analogen Sortiment eingestellt. Der Neupreis betrug 2.600 DM, bzw. später 1.400 €.
Von vielen Fotografen wurde die die F100 als kompaktere Version der F5 angesehen. Und in der Tat ist die F100 nur geringfügig gegenüber dem Spitzenmodell abgespeckt. Lediglich 4,5 Bilder pro Sekunde in Serie statt 8, 96% sichtbares Bildfeld im Sucher anstelle von 100% und ein technisch einfachere Version der Matrix Belichtungsmessung sind die wesentlichen Einschränkungen. Dafür teilen sich die beiden Modelle das gleiche Autofokusmodul Multi-CAM 1300 mit 3 Kreuz- und zwei Liniensensoren. Die Kreuzsensoren sind in der mittleren Reihe nebeneinander angeordnet, die waagerecht messenden Liniensensoren oberhalb und unterhalb der Mitte.
Angetrieben wird die F100 durch 4 AA Batterien, optional war ein Batteriegriff mit der Bezeichnung MB-15 im Angebot, der 6 AA Batterien aufnahm und die Serienbildgeschwindigkeit unwesentlich auf 5 Bilder pro Sekunde erhöhte. Recht selten anzutreffen dürfte der optionale Batteriehalter MS-13 für 2 CR123 Lithiumbatterien sein. Eine alternative Rückwand zur Einbelichtung von Datum und Uhrzeit stand unter der Bezeichnung MF-29 im Katalog.
F Mount Objektive der AI/AI-S/AF-/AF-D/AF-S Serien sind vollständig zur F100 kompatibel, lediglich Objektive mit elektronischer Blende (E) und AF-P Steppingmotoren sind nicht kompatibel. VR war zur Einführung bereits etabliert und wird somit ebenfalls unterstützt. Der AF Motor für AF und AF-D Objektive arbeitet in etwa so schnell wie eine semiprofessionelle DSLR und ist damit deutlich schwächer dimensioniert als in der F5.
Gehäuse und Handling
Das 780g schwere Gehäuse liegt exzellent in der Hand und vermittelt einen sehr soliden Eindruck. Dieser täuscht jedoch an entscheidenden Stellen, mehr dazu im Abschnitt „Schwachstellen“. Ober- und Unterkappe sind aus Metall gefertigt, die angenehme Gummierung entspricht den späteren, semiprofessionellen digitalen Spiegelreflexkameras der dreistelligen Serie. Auch Bedienkonzept und Anzeigen gleichen den modernen digitalen Abkömmlingen wie beispielsweise D200, D300 und D700. Die analoge F100 legt quasi den Grundstein für das Designkonzept der digitalen Nachfolger und könnte auf den ersten Blick als DSLR durchgehen.
Das fehlende Display auf der Rückseite verrät nicht nur, dass es sich um ein Modell für 35mm Film handelt, es führt auch zu einer etwas ungewöhnlichen Art, dem Fotografen Einstellmöglichkeiten für grundlegende Kamerafunktionen zugänglich zu machen. Die so genannten „Custom Functions“ können über den CSM Knopf mittels Zahlencode eingestellt werden. Diese gleichen bereits den später als „Individualfunktionen“ in den digitalen Modellen angebotenen Optionen:
1: Automatische Filmrückspulung am Filmende
0: Aus / 1: Ein
2: Abstufung der Belichtungseinstellung
3: Drittelstufen / 2: Halbe Stufen / 1: Volle Stufen
3: Reihenfolge der Korrekturwerte bei
Belichtungsreihen
0: Unkorrigiert, negativ, positiv / 1: negativ, unkorrigiert, positiv
4: Aktivierung des Autofokus beim Andrücken des Auslösers bis zum ersten Druckpunkt0: Ein (Grundeinstellung) / 1: Aus
5: Warnung bei Film ohne DX-Kodierung
0: Nach Filmeinfädelung / 1: Bei Einschaltung der Kamera
6: Messfeldwahl
0: Normal / 1: Geradlinig in einer Richtung
7: Belichtungsspeicherung beim Andrücken des Auslösers bis zum ersten Druckpunkt
0: Aus / 1: Ein
8: Automatischer Einzug des Films
0: Aus / 1: Ein
9: AF-Dynamik bei Einzel-AF (S)
0: AF-Messfeld mit nächstliegendem Objekt
ist Primärfeld / 1: Gewähltes AF-Messfeld ist Primärfeld
10: AF-Dynamik bei kontinuierlichem AF (C)
0: Gewähltes AF-Messfeld ist Primärfeld / 1: AF-Messfeld mit nächstliegendem Objekt
ist Primärfeld
11: Belichtungsreihen/Blitz-Belichtungsreihen
AS: Streuung mit sowohl der Belichtung als
auch der Blitzleistung / AE: Streuung nur mit Belichtungseinstellung / Sb: Streuung nur mit Blitzleistung
12: Belegung der Einstellräder
0: Standard / 1: Vertauscht
13: Verwendung des vorderen oder hinteren Einstellrades zur Belichtungskorrektur in P, S und A
0: Aus / 1: Ein
14: Mehrfachbelichtungen
0: Aus / 1: Ein
15: Ausschaltzeit des Belichtungsmessers
4: Vier Sekunden / 6: Sechs Sekunden / 8: Acht Sekunden / 16: Sechzehn Sekunden
16: Vorlaufzeit des Selbstauslösers
2: Zwei Sekunden / 5: Fünf Sekunden / 10: Zehn Sekunden / 20: Zwanzig Sekunden
17: Aktivierung der LCD-Beleuchtung über Schalter
0: Aus / 1: Ein
18: Dateneinbelichtung auf Bild Nr. 0 (mit MF-29)
0: Aus / 1: Ein
19: Blendeneinstellung beim Zoomen
0: Fixiert / 1: Variabel
20: Auslösebestätigung über Selbstauslöser-LED
0: Aus / 1: Ein
21: Belegung der AE-L/AF-L-Taste
0: Fixierung von Belichtung und Autofokus
1: nur Belichtung / 2: nur Autofokus / 3: Belichtungsspeicherung bis zum erneuten Drücken der Taste
22: Blendenwahl
0: Mit vorderem Einstellrad / 1: Mit Blendenring des Objektivs
Die Performance des Autofokus ist aus heutiger Sicht am ehesten mit der der D200 gleichzusetzen und auch insgesamt finde ich die beiden Gehäuse von Haptik und Bedienung her sehr vergleichbar. Der Sucher ist großzügig dimensioniert und steht den professionellen DSLR Gehäusen nur hinsichtlich der Bildfeldabdeckung nach. Manuelle Objektive sind einfach zu fokussieren. Ärgerlicherweise bietet die F100 wie die F5 bei manuellen Objektiven nur mittenbetonte Belichtungsmessung an.
Schwachstellen
Leider hat Nikon bei der Konstruktion der F100 an manchen Stellen zu viel gespart. Die durch Zersetzung nach vielen Jahren klebrige Rückwandbeschichtung geht allerdings noch als unangenehme Eigenschaft des damals von vielen Herstellern eingesetzten Softlacks durch. Die klebrige Schicht lässt sich sehr einfach mit einem gut in Isopropylalkohol getränkten Tuch entfernen.
Ärgerlicher sind hingegen konstruktive Mängel, die sich an zwei entscheidenden Stellen zeigen und vom naiven Glauben an die Stabilität von ungenügend dimensioniertem Kunststoff zeugen.
Direkt in den ersten Jahren nach Verkaufsstart häuften sich die Fälle von gebrochenen Rückspulgabeln. Die aberwitzig filigran in Form eines Dreiecks geformten Gabeln, die in die innere Spule der Filmpatrone greifen und diese während des Rückspulvorgangs drehen, waren offensichtlich zu schwach dimensioniert. Nikon änderte in der laufenden Produktion die Konstruktion und ersetzte diese durch rechteckige, stärker dimensionierte Varianten. Viele frühe F100 wurden von Nikon im Rahmen einer Serviceaktion umgerüstet. Angeblich besitzen Kameras ab Seriennummer 21673** die verstärkte Variante, meine F100 mit Seriennummer 210**** besitzt die ursprüngliche Version, die Kamera mit 206*** wurde anscheinend nachträglich repariert. Die Seriennummer einer F100 befindet sich übrigens auf der Unterseite der Bajonettverkleidung und ist sehr schwach eingestanzt und daher schwer erkennbar.
Häufiger anzutreffen ist jedoch ein anderer Defekt: gebrochene Rückwandhaken. Dieser sehr oft auftretende Fehler hat dazu geführt, dass sehr schnell nach Produktionsende keine Rückwände als Ersatzteil mehr verfügbar waren. Es ist nahezu unmöglich, die aus einem Stück Plastik in Einheit mit der Rückwand gegossenen Haken zu ersetzen. Geklebte Haken halten aufgrund der kleinen Bruchfläche nicht oder nur sehr kurz. Es gibt auf ebay Reparaturkits von Privatleuten, welche großflächiger auf die Rückseite der Kunststoffplatte geklebt werden, an der die Haken sonst angegossen sind. Die Variante aus Metall stammt von Verkäufer plutoniusx in den USA, eine Plastikversion wird von ficamera-0 aus Spanien angeboten (Stand Februar 2023).
Fazit und Empfehlung
Die F100 ist auch in 2023 eine sehr empfehlenswerte Kamera für 35mm Film. Es werden alle wesentlichen Objektivtypen unterstützt, auch eine F6 bietet keine größere Kompatibilität.
Als analoges Zweitgehäuse zu einer digitalen Spiegelreflex stellt die sie ideale Ergänzung dar, so ähnlich sind Bedienung und Haptik.
Die vermeintliche Robustheit muss angesichts oftmals gebrochener Rückwandhaken etwas in Zweifel gezogen werden. In jedem Fall muss man vor dem Kauf den Zustand der Rückwand prüfen. Ob die schwächlichen Rückspulgabeln wirklich ein großes Problem darstellen mag ich nicht beurteilen, schließlich sind viele Kameras mit der ersten Version auch heute noch in Umlauf und funktionieren tadellos.
Funktionierende Exemplare ohne technische Mängel gibt es bereits für ca. 200 €. Kosmetisch einwandfreie Exemplare mit fest sitzender Belederung kosten 300 bis 400 Euro. Der Batteriegriff MB-15 sollte für 100 Euro oder knapp darunter zu haben sein (Preise Stand Februar 2023).